Nerd-Brille
auf, das Notebook mit dem Apfel an (was ich beides NICHT habe) und ab geht’s in die Subkultur der Latte-Macchiato-Bourgeoisie, morgens halb Zehn in
Deutschland. Jo, bloggen … mein Blog, dein Blog – Pflock ins Herz fällt mir da
irgendwie grade ein.
Letztens
wieder beobachtet, in einem Café meines Vertrauens mit den gefühlt tausend, oft
nicht auszusprechenden Warmgetränken.
Vertieft
in einen äußerst bemerkenswerten Artikel über das Paarungsverhalten
australischer Dingos, merkte ich fast gar nicht, wie sich vor mir am
Nachbartisch ein junger Mann von Mitte 20 äußerst angespannt nieder und seinen
Blick ins Leere schweifen ließ. „Schläft er ?“, dachte ich. „Träumt er ?“ oder
ist dies das erste Anzeichen eines kalten Koffein-Entzugs, den er gleich wieder
zunichtemachen würde ?
Nein !!!
Er wartete einfach nur auf eine Dame, wie sich nun herausstellte.
Diese
betrat den Raum ebenso sichtlich angespannt, warf ihm ein kurzes Lächeln zu und
begrüßte ihn mit einem Küsschen links und rechts. Die beiden schienen sich nur
bedingt zu kennen und es war ziemlich klar, daß dies das obligatorische „erste
Date“ sein sollte. Sichtlich irritiert über das sich nun anbahnende Schauspiel
konnte ich mich gar nicht mehr auf meine Lektüre konzentrieren. Sie saßen ja
auch direkt vor meinen Augen, also was sollte ich machen ??? Ich hatte keine
Chance … Verdammt dachte ich, klettert nun so ein männlicher Dingo aus
Balzgründen ohne deutschen TÜV einfach so auf einen steilen Felsvorsprung oder
tanzt den Moonwalk wie die südamerikanische Gelbhosenpipra, nur um ein Weibchen
zu beeindrucken ? Diese Frage sollte sich mir nun nicht mehr beantworten.
Nächste
Szene …
die beiden
bestellten sich ihren „Double Chocolate-Strawberry-Cake-Latte“ mit fettarmer,
laktosefreier Biomilch und Karamell-Topic … puhhhh, Moment ich brauch mal ne
Pause, langes Wort … und widmeten sich wieder ihrem Smalltalk.
Ums gleich
vorwegzunehmen, der junge Mann war äußerlich ein richtiger Frauentyp, gutaussehend,
groß und sportlich. Doch er war wie paralysiert, konnte sich nur schwer
ausdrücken und hatte einfach keinen Plan, was er überhaupt sagen sollte. Die
Frau gab ihm am Anfang eigentlich klare Zeichen, daß sie sich in seiner
Gegenwart sehr wohl fühlte, sie strich sich durchs Haar, schaute ihn verträumt
an und erweckte den Eindruck, daß sie ziemlich angetan von ihm war. Doch die
Stimmung kippte leider zusehends und ich sah wie er leider immer weiter
ungebremst in sein persönliches Date-Fiasko schlitterte.
Er hätte
seinen Schwarm bestimmt erobern können, indem er von seinen Leidenschaften und
Träumen erzählt und versucht hätte, sie auf diese Reise mitzunehmen. Wenn er
ihr bildhaft beschrieben hätte, wie er sich sein Leben vorstellt, was er gerne
erreichen wolle und was das wohl Verrückteste ist, was er schon immer vor hatte
zu erleben. Aber er tat es nicht. Die direkte, emotionale Verbindung fehlte und
er wich ihren Blicken aus Scham leider immer wieder aus. Das konnte man gut
sehen. „Schade“, dachte ich ständig, er tat mir wirklich Leid. Ich bin mir auch
sicher, daß er so etwas bestimmt in petto gehabt und auch am liebsten über
solche Dinge geredet hätte. Aber er tat es einfach nicht. Als er schließlich
zum dritten mal von seinem Bürojob, seiner Krankheitsgeschichte und (Achtung
Supergau !!!) von seiner aktuellen Ex anfing, wusste ich, daß es das war.
Er war
gescheitert ! Nicht an sich als Person, sondern an seiner eigenen Courage, an
seinem eingeredeten Selbstbild, seinem geringen Selbstbewusstsein und seiner
ständigen Angst zu versagen. Von solchen Szenen sieht und hört man leider immer
mehr. Männer trauen sich nicht mehr Mann zu sein, strahlen keine natürliche
Dominanz aus und halten sich für nicht gerade überzeugend. Doch Frauen sehnen
sich gerade nach „diesen“ Männern. Sie sollen auch keine Übermenschen sein und
sich verstellen, sich verkleiden oder schauspielern, sondern einfach nur sie
selbst. Sie sollen mit sich im Reinen und mit ein bisschen Charme und Charisma
die Auserwählte begeistern und ihr ein Fels in der Brandung sein …
Hmm … ist
das heute etwa wirklich alles so schwierig ??? Nein ... wenn man solche
Probleme erkennt, sich ihnen annimmt und wieder seine innere Stimme findet, ja
dann und nur dann, klappts auch mit der Nachbarin. Versprochen. ;-)
Ihr fragt
euch jetzt bestimmt, was aus diesen beiden geworden ist ? Nun ja, eine Woche
später begegnete mir die junge Frau sichtlich fröhlich und verliebt in einer
Bar wieder. Doch an ihrer Seite war nicht dieser arme Kerl vom letzten Mal,
sondern ein eigentlich eher unscheinbarer Typ. Man musste sie nicht lange
beobachten, um zu erkennen, wie sehr sie ihm aus der Hand fraß und ihn
regelrecht anschmachtete.
Irgendetwas
schien er in ihr auszulösen und ich ahnte was es war …
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